Photo by Isabell Winter on Unsplash
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Mit vier Schritten in die Achtsamkeit

Wir können mitten in der Unruhe und Hektik des Alltags, an der Bushaltestelle, in der U-Bahn, der Raucherpause, beim Mittagessen, in einfachen und sogar schwierigen Momenten, uns und anderen mit Achtsamkeit begegnen und damit spontan das Erleben unserer Gegenwart verändern. Darin verbirgt sich ein beachtliches Potential geistiger Freiheit. Werden sie zur Stille im Zentrum des Sturms.
Im Trubel der Stadt, zwischen den vielen einkaufenden Menschen, den geöffneten Kaufhäusern lässt sich dass sehr besonders erleben. Achtsamkeit intensiviert das Erleben in jeder Hinsicht, sie schafft einen Raum für den inneren Beobachter, eine akzeptierende Instanz, die in uns allen mit etwas Übung verfügbar ist.

Es folgt eine kleine persönliche Geschichte einer öffentlichen Gehmeditation:
Zur Weihnachtszeit, vor einigen Jahren, durfte ich zum ersten Mal eine öffentliche Gehmeditation, in der Innenstadt Hannovers ausprobieren. Bisher hatte ich Gehmeditation immer in einem geschützen Rahmen, in einem Meditationszentrum oder Zuhause praktiziert. Unter dem Moto „Zum Glück fehlt mir nichts“ hatte das Netzwerk Achtsame Wirtschaft vor etlichen Jahren zum ersten Mal zur Gehmeditation in der Adventszeit eingeladen. Es waren nur noch einige Tage bis Heiligabend und wir bewegten uns zur Hauptgeschäftszeit, mit etwa 10 Personen, durch die beleuchtetet und geschmückte Innenstadt Hannovers.
Die Reaktionen auf unsere langsame Art der Fortbewegung waren sehr gemischt und reichten von Neugier, spontanem Mitmachen, bis zu Irritation, Ablehnung (O-Ton: „Kann man machen, muss man aber nicht..“) und Beleidigungen, wir wurden sogar von einem Radfahrer angerempelt und beschimpft.
Das achtsame Gehen, mitten in einer Menge größtenteils extrem angespannter Menschen, war eine ganz schöne Herausforderung, die in mir viele ambivalente Teile aufgerufen hat: Scham, Unsicherheit und Besorgnis aber auch Ruhe, Humor, Verbundenheit und Dankbarkeit waren meine inneren Begleiter.
Wir bewegten uns etwas mehr als einen Kilometer in einer knappen Stunde, vom Steintor zum Raschplatz. Es war ein wunderbares Erlebnis, unsere Kraft zu spüren, die Verlangsamung in der Hektik, die Verbundenheit mit uns und den anderen Menschen. Es entstand in mir ein Gewahrsein, dass auch die kritischen und feindseligen Stimmen im Außen ein Teil der Welt sind und das es auch in mir kritische Teile gibt. So war es mir auch möglich, mit Akzeptanz und sogar Humor auf manch spitze Bemerkung und Beleidigungen zu reagieren.

Wie lässt sich Achtsamkeit praktizieren?

Am besten fangen sie mit ganz einfachen Übungen an.
Hier gebe ich eine kurze Anleitung in vier Schritten: Wählen sie für den Anfang einen ruhigen Ort und schalten sie alle störenden Elemente (wie etwa Telefone, Klingel, Wecker) ab. Sie können die Augen schließen oder geöffnet lassen. Mit geschlossenen Augen ist es für viele Menschen einfacher aber manchmal verführt uns die Müdigkeit in den Schlaf. Sie können auf einem Stuhl sitzen, auf einer Yoga-Matte liegen oder einfach stehen. Bequeme Kleidung – damit der Atem frei fließen kann – hilft bei der Konzentration auf einen Punkt der Beobachtung. Je mehr sie praktizieren, desto einfach wird es.

Eine Gehmeditation – mit offenen Augen, wie oben beschrieben – bewirkt natürlich sehr viele sinnliche  Eindrücke und dabei die Achtsamkeit aufrecht zu erhalten kann am Anfang sehr schwer sein. Gleichzeitig ist Gehmeditation ein gutes Übungsfeld die Praxis der Achtsamkeit in unseren Alltag zu bringen.

Vier Schritte in die Achtsamkeit

1. Lenken der Aufmerksamkeit
Schließen sie die Augen und richten ihre Aufmerksamkeit auf die Atmung an der Nasenspitze. Wenn etwas anderes sie ablenkt, kehren sie im Geiste immer wieder zur Atembeobachtung zurück. Bleiben sie für einige Zeit in dieser Erfahrung..

2. Das innere Beobachten wecken
Wenn sie die Augen schließen, können sie vielleicht einen inneren Beobachter in sich bemerken. Dann kann ein Perspektivwechsel stattfinden: Sie sind mitten in der eigenen Erfahrung des Augenblicks und können gleichzeitig distanziert beobachten..

3. Erleben des gegenwärtigen Augenblicks
»Leben ist das, was passiert, während du eifrig dabei bist, andere Pläne zu machen.« sagt John Lennon. Achtsamkeit bedeutet, sich dem Hier und Jetzt zuzuwenden – von Moment, zu Moment, zu Moment – fragen sie sich: Was passiert jetzt?..

4. Akzeptanz für das, was ist
Leiden bedeutet »Etwas zu wollen, was nicht ist und etwas nicht zu wollen, was ist.« Eine förderliche Haltung hierzu kann sein: Lernen, die Dinge mit Wohlwollen zu akzeptieren, so wie sie sind..

Traditionell wird oft auch von den sieben Säulen gesprochen, auf denen die Achtsamkeit ruht:

  1. Nicht bewerten
  2. Geduld
  3. Anfängergeist – verlangsamt und öffnet die Sinne
  4. Vertrauen
  5. nichts erzwingen
  6. Akzeptanz – die Dinge so nehmen, wie sie sind
  7. Loslassen

 


Literaturtipp (mit Audio-CDs): Das Achtsamkeits-Übungsbuch von Hakomi-Gründer Halko Weiss, Michael E. Harrer und Heiko Dientz bietet einen wunderbaren und leichten Einstieg in die Welt der Achtsamkeitsübungen. Es gibt zahlreiche Übungen zum Ausprobieren auf zwei CDs: Halko Weiss, Michael E. Harrer, Heiko Dietz: Das Achtsamkeits-Übungsbuch

Veröffentlicht am 4. Februar 2018 in der Rubrik
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Hier schreibt Peter Wesche Beiträge über das Wesen der Transformation, Psychotherapie, Achtsamkeit, Trauma, Soziales und Politik.

Peter Wesche from Hannover in Germany. I'm a Hakomi therapist, working with bodycentered, mindfulness based Hakomi Psychotherapy, SATe - Somatic Attachment Therapy Experience and Mindfulness based Somatic Trauma Therapy.

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